Analyse, Beratung & Training – Zentrum an der LMU München

Interview mit Dr. Miriam Heigl

Fachstelle für Demokratie, Landeshauptstadt München

www.muenchen.de/rathaus/Stadtpolitik/Fachstelle-fuer-Demokratie.html

28.09.2018


Heute spreche ich mit Dr. Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle für Demokratie der Landeshauptstadt München.

Hallo, Frau Dr. Heigl!

Hallo.

Was besorgt Sie aktuell zum Thema Rassismus und Diskriminierung?

Uns ist aufgefallen, dass - angefangen mit der sogenannten Sarazzin-Debatte - Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, religiöser oder sexueller Orientierung zugenommen haben. Solche Denkmuster und Verhaltensweisen sind auch in der Mitte der Gesellschaft stark verankert.

An welchen Punkten müsste man stärker arbeiten?

Ich denke, es braucht zur Abwehr von Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung Gesamtkonzepte. Das heißt, man muss sich sowohl überlegen wie man präventiv Problematiken auf verschiedenen Ebenen bearbeiten kann, aber auch, wie man reaktiv und repressiv mit bestimmten Akteuren in dem Bereich umgeht. Diese Erkenntnisse sollten alle in eine Gesamtstrategie einfließen, sodass man verschiedene Schwerpunkte setzen kann. Nur mittels einer Gesamtstrategie kann man das Thema sinnvoll bearbeiten.

Wo begegnen Sie auf der Arbeit oder in Ihrem beruflichen Umfeld Rassismus oder Diskriminierung?

Wir bei der Fachstelle für Demokratie befassen uns grundsätzlich mit rechtsextremen Gruppierungen, aber auch mit Formen des Alltagsrassismus und auch immer mal wieder mit Formen des institutionellen Rassismus. Insofern haben wir da schon eine ganz schöne Bandbreite. Wir arbeiten aber auch von Seiten der Landeshauptstadt sehr eng mit Zuschussnehmern und zivilgesellschaftlichen Partnern zusammen. Beispielsweise mit „before“, das ist die Münchner Opferberatungsstelle für den Bereich Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. Die haben natürlich noch mal einen ganz anderen Einblick, was bestimmte Fälle von Diskriminierung und Gewalt betrifft. Auch im Bereich der Pädagogik arbeiten wir mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Einrichtungen zusammen, die sich mit anderen Vorkommen des Phänomens beschäftigen.

Diskriminierung welcher Gruppen erleben Sie am häufigsten mit?

Bei unserer Arbeit geht es darum, einen Blick auf die gesamte Stadtgesellschaft zu werfen. In München leben 1,5 Millionen Menschen, das heißt, wir sehen Vorkommnisse bezüglich Straftaten, betrachten Ergebnisse von Studien, nehmen Erkenntnisse der zivilgesellschaftlichen Erfassungsstellen wahr. Es ist uns aufgefallen, dass das Thema Muslimenfeindlichkeit, das heißt Abwertung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihres realen oder vermeintlichen muslimischen Glaubens, gegenwärtig eine sehr große Rolle auch in unserer Stadtgesellschaft spielt. Wir sehen aber auch, dass zum Beispiel Antiziganismus – die Abwertung und Ausgrenzung von Sinti und Roma - relevant ist. Dabei handelt es sich häufig um Diskurse über Armutszuwanderung und rassistische Stereotypen im Zusammenhang mit der Bettelthematik.

Was erschüttert Sie am meisten an rassistischen oder diskriminierenden Handlungen?

Abwertung und Diskriminierung bedeuten immer, dass nicht mehr der Mensch als Mensch in den Mittelpunkt gerückt wird, und damit das Individuum, dem man erstmal eine Chance gibt. Im Gegenteil, die Person wird automatisch in eine Schublade gesteckt und kommt auch nicht mehr raus. Und diese Schublade erlaubt es dann den Aggressoren entweder verbal oder auch physisch gegen die Person vorzugehen. Dieser Entmenschlichungseffekt von Abwertung und Diskriminierung ist das Erschütterndste für mich.

Was könnte man dagegen tun?

Es gibt ja die Studie zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, in der unter anderem Rassismus und Diskriminierung bestimmter Gruppen – unter anderem Muslime, Juden, Sinti und Roma aber beispielsweise auch Obdachlose - untersucht wird. Diese zeigt, dass auf der individuellen Ebene gesellschaftliche Kontakte und guter Austausch mit verschiedensten Menschen helfen, Vorurteile zu überwinden. Es geht aber auch darum, gesellschaftlich bestimmte Bedingungen zu ändern. Wir wissen, dass ein hohes Bildungsniveau hilfreich ist, damit Menschen Vorurteile abbauen. Häufig zeigt sich auch eine rassistisch gewertete soziale Frage. Auch der Abbau der sozialen Schere hilft somit, weil dann Menschen aufgrund von ökonomischen Lagen nicht mehr so leicht gegeneinander ausgespielt werden können.

Wie geht Ihre Institution gegen Fälle von Rassismus oder Diskriminierung vor?

Wie gesagt, wir arbeiten mit einem breiten Netzwerk, insbesondere verbunden mit der Zivilgesellschaft. Da haben wir natürlich eine Aufgabenteilung, beispielsweise werden pädagogische Maßnahmen durch unsere spezialisierten zivilgesellschaftlichen Zuschussnehmer ergriffen. Recherche ist zum Teil auch Aufgabe zivilgesellschaftlicher Institutionen und natürlich ist auch die Polizei beauftragt, bei Straftaten zu ermitteln und diese zu verfolgen. Die Opferberatung hat wiederum andere Aufgaben, beispielsweise die Betroffenen zu betreuen, aber auch dafür zu sorgen, dass Sachverhalte erfasst werden und so in unsere Kriminalstatistiken einfließen können.

Haben Sie einen bestimmten Tipp gegen Rassismus oder Diskriminierung?

Jeder Mensch und jeder Tag sind anders. Deshalb ist es ein bisschen schwierig, einen Tipp für alle Situationen und Beteiligten zu geben. Natürlich wäre es für den gesellschaftlichen Diskurs gut, wenn sich möglichst viele Menschen einmischen und einbringen. Aber man muss natürlich auch immer gucken, was die Situation erfordert und wie ich mich gerade in der Situation fühle. Deshalb kann ich keine allgemeine Maßgabe empfehlen.

Vielen Dank!

Landeshauptstadt München, Fachstelle für Demokratie

Die Fachstelle für Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit wurde 2008 ins Leben gerufen und untersteht direkt dem Oberbürgermeister (vgl. „Die Fachstelle stellt sich vor"). Ihre Aufgabe ist die Koordination des städtischen Verwaltungshandelns für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und jegliche Formen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder djihadistischem Salafismus (vgl. ebd.).

Die Stelle vernetzt Zivilgesellschaft und Verwaltung und vertritt die Stadt in diesen Themengebieten nach außen (vgl. ebd.). Die Fachstelle berät beispielsweise Oberbürgermeister und StadträtInnen, koordiniert von den Themen betroffene Verwaltungsprozesse, führt Veranstaltungsreihen und Kampagnen durch oder arbeitet mit BürgerInnen, Initiativen und Vereinen der Münchner Zivilgesellschaft zusammen(vgl. ebd.). Das Ziel ist der langfristige Schutz vor Rechtsextremismus, Rassismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (vgl. ebd.).

Muenchen.de: „Die Fachstelle stellt sich vor".


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