Analyse, Beratung & Training – Zentrum in Zusammenarbeit mit der LMU München

LMU-Projekt „Den Menschen im Blick“


Dr. Britta Schellenberg präsentierte die Ergebnisse des Projekts und das „Training Antidiskriminierung“ am 18. November 2019 im Münchner Rathaus.


Das Projekt „Den Menschen im Blick“ wurde von 01.01.2017 bis 31.12.2019 am Geschwister-Scholl-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität durchgeführt und wurde im Rahmen von Demokratie leben! vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Das Projekt „Den Menschen im Blick – Kompetenzen gegen Rassismus und Diskriminierung in Beruf & Alltag“ sollte auf den gewachsenen Bedarf in vielen Institutionen reagieren, Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu finden, Menschen vor Diskriminierung zu schützen und menschenfeindliche Orientierungen in die Schranken zu weisen. Zentrales Ziel des Projektes war es, Grundlagen und praktische Materialien dafür zu schaffen, Führungskräfte und Mitarbeitende von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen zu befähigen, souverän und professionell mit allen Menschen (z.B. Beschäftigten, Klientinnen) in einer zunehmend diversen Gesellschaft umzugehen und sie fit zu machen für einen sicheren Umgang mit rassistischen und anderen menschenfeindlichen Orientierungen.

Zielsetzung

Die deutsche Gesellschaft wird immer vielfältiger und weltoffener. Dennoch: Abwertende Einstellungen gegenüber Menschen, etwa wegen ihrer Hautfarbe oder Religion, bilden immer wieder den Nährboden für menschenfeindliche Hetze und Gewalt.

Die Gefährdung von Seele, Leib und Leben Einzelner ist dabei nicht das einzige Problem. Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind auch eine menschenwürdige Teilhabe jedes*r Einzelnen*r und eine faire Arbeitswelt von zentraler Bedeutung. Das erkennen inzwischen nicht nur Einzelne – auch Organisationen und Institutionen stellen sich diesem Thema. Der Bedarf, Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu finden, Diskriminierung entgegenzutreten und fit zu werden für einen kompetenten Umgang mit menschenfeindlichen Orientierungen, wächst.

Dafür ist Bildung ein Schlüssel.

Wir engagieren uns für eine Kultur des Respekts, der Menschenrechte und der Teilhabe. Diese Kultur begreift Vielfalt als Chance für unsere Gesellschaft und macht das Leben für alle freier und sicherer.

Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen souverän und professionell arbeiten können und dass allen Menschen ein fairer und professioneller Umgang zuteilwird. Wir entwickeln auf der Grundlage international bewährter Praxis, interdisziplinärer Forschungsbefunde und spezifischer beruflicher Herausforderungen rassismuskritische und diskriminierungssensible Bildungsmodule.

Wir unterstützen staatliche und zivilgesellschaftliche Institutionen darin, den Blick auf den Menschen zu schulen, um allen – ob Personal oder Klientel – ihre Rechte zu gewährleisten und ein freies und sicheres Leben zu ermöglichen. Dafür gilt es auch Arbeitsabläufe und Routinen diskriminierungskritisch zu prüfen und zu professionalisieren.

Projektskizze

Das Projekt „Den Menschen im Blick – Kompetenzen gegen Rassismus und Diskriminierung in Beruf & Alltag“ reagiert auf den gewachsenen Bedarf in vielen Institutionen, Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu finden, Menschen vor Diskriminierung zu schützen und menschenfeindliche Orientierungen in die Schranken zu weisen.

Zentrales Ziel des Projektes ist es, Grundlagen und praktische Materialien dafür zu schaffen, Führungskräfte und Mitarbeitende von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen zu befähigen, souverän und professionell mit allen Menschen (z.B. Beschäftigten, Klientinnen) in einer zunehmend diversen Gesellschaft umzugehen und sie fit zu machen für einen sicheren Umgang mit rassistischen und anderen menschenfeindlichen Orientierungen. Zielinstitutionen sind: Verwaltungen, Polizei, Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände u.ä. Für die Entwicklung der Schulungen werden – je nach Zweckmäßigkeit und Kapazitäten - engere Kooperationen mit einzelnen Institutionen ausgelotet.

Inhalte und Ergebnisse

  • Entwicklung eines Leitfadens als Grundlage für eine Befragung in den Zielinstitutionen, um systematisch die jeweiligen Bedarfe zu eruieren.

  • Wissenschaftliche Analyse zur Struktur des Rassismus und insbesondere zu Gegenstrategien.

  • Etablierung eines Online-Portals (www.den-menschen-im-blick.de), das zur fachlichen und öffentlichen Debatte beiträgt. Hier werden Forschungsbefunde, Praxiserfahrungen sowie Projektergebnisse veröffentlicht und zur Diskussion gestellt.

  • Entwicklung eines Bildungskonzepts, inklusive verschiedener Schulungsmodule und multimedialer Schulungsmaterialien in Diskussion mit Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis und Vertreter*innen der Zielorganisationen aus unseren Gremien, Fachbeirat und Round Table. Dazu gehört beispielsweise die Entwicklung eines Leitfadens mit pädagogischen Zielsetzungen sowie die Entwicklung von verschiedenen berufsheterogenen und adressatenspezifischen Schulungsmodulen und –materialien.

  • Durchführung von Round Table-Sitzungen, Test-Schulungen und Evaluationen, auf deren Grundlage das Bildungskonzept weiterentwickelt wird.

  • Vertiefung der Auseinandersetzung in strategisch relevanten Bereichen durch Workshops mit Verantwortlichen aus den Zielinstitutionen sowie Expert*innen aus verschiedenen Fach-Wissenschaften und von NGOs.

Ziele

(1) Zeitgemäße, innovative, professionelle Schulungen, inklusive Bildungskonzept, Module, Materialien

a. für adressatenheterogene Zielgruppen (sowohl aus verschiedenen staatlichen als auch zivilgesellschaftlichen Institutionen) bereitstellen.

b. adressatenspezifisch – in engerer Kooperation mit der jeweiligen Zielinstitution entwickeln und bereitstellen.

Produkt: Bildungskonzept mit verschiedenen Modulen und multimedialen Materialien für heterogene und spezifische Zielgruppen. Die Inhalte werden auf diesem Onlineportal veröffentlicht.

(2) Die fachliche und öffentliche Debatte

a. durch kompetente Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, inklusive Erfahrungsberichte, und nicht zuletzt durch Perspektivenvielfalt bereichern.

b. pragmatisch und wertegebunden, orientiert an den Menschenrechten, Demokratie und Pluralismus, führen und damit für eine friedliche, faire und vielfältige Gesellschaft werben.

Produkt: Etablierung eines Onlineportals für Fachkräfte und eine breitere (Fach-) Öffentlichkeit. Zudem werden die Projektergebnisse auf Präsenzveranstaltungen vorgestellt.

(3) Führungskräfte und Mitarbeitende

a. befähigen, souverän und professionell mit Beschäftigten und Klient*innen umzugehen.

b. fit zu machen für den kritischen Umgang mit rassistischen und anderen menschenfeindlichen Orientierungen.
Angebot: (Test-)Seminare, die evaluiert und weiterentwickelt werden.

Zielgruppen

  • Staatliche Institutionen (kommunale Verwaltung und Polizei, Kirchen)

  • Zivilgesellschaftliche Institutionen (Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände), jeweils: Erwachsene, Hauptamtliche (Führungskräfte, Mitarbeiter*innen)

  • Erwachsene, Multiplikator*innen (Aus- und Fortbildung)

Engere Kooperationen mit einzelnen Institutionen sind möglich. Sie werden jeweils nach Zweckmäßigkeit, Bedarf und Kapazitäten ausgelotet.

Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit

Um die Qualität zu sichern, werden ein Fachbeirat eingerichtet, Testseminare veranstaltet und eine prozessbegleitende Evaluation vorgenommen.

Um Nachhaltigkeit zu ermöglichen,

(a) werden Projektergebnisse (z.B. Schulungsmaterialien und Fachbeiträge) veröffentlicht.

(b) werden engere Kooperationen mit Zielinstitutionen eingegangen. Mit ihnen soll ausgelotet werden, ob und inwiefern es einen Bedarf an entsprechenden Schulungen für Führungskräfte und Beschäftigte gibt und wie dieser abgedeckt werden kann.

(c) wird zudem ein Konzept erarbeitet, um Multiplikator*innen fortzubilden.

Ergebnisse

Zentrale Ergebnisse des Projektes „Den Menschen im Blick. Kompetent gegen Rassismus und Diskriminierung in Beruf & Alltag“(01.01.2017 bis 31.12.2019) sind:

  • Entwicklung und Durchführung einer Befragung zur Relevanz von „Rassismus und Diskriminierung als Thema für Organisationen und ihre Mitarbeitenden“ (2017 und 2018) (LINK Veröffentlichungen 1.3. Literaturliste „Den Menschen im Blick", insbesondere Schellenberg, Britta, „Den Menschen im Blick. Kompetenzen gegen Rassismus und Diskriminierung in Beruf und Alltag", Demokratie gegen Menschenfeindlichkeit 2 (2019), 126-144.)

  • Problemanalyse: Rassismus, Diskriminierung und mögliche Gegenstrategien in der Bundesrepublik Deutschland (LINK  Grundlagen  2. Problemanalyse)

  • Entwicklung und Etablierung des Kompetenz-Portals www.den-menschen-im-blick.de Hier finden sich u.a. Analysen und fachliche Diskussionen, Erfahrungsberichte, Videoclips, Literaturhinweise sowie Veranstaltungs-, Projekttermine und Projektergebnisse.

  • Durchführung von Veranstaltungen für die Entwicklung und für die Öffentlichkeitsarbeit: Fachbeiratssitzungen, Round-Table-Treffen, Test-Schulungen und Präsentationsveranstaltungen.

  • Entwicklung und Veröffentlichung des Trainings Antidiskriminierung „Den Menschen im Blick“ mit dem Schwerpunkt: Rassismus. Es umfasst pädagogische Leitlinien, Übungen, Schlaglichter, fachliche Vertiefungen und praktische Reflexionen, Besprechungen von Herausforderungen bei der Durchführung sowie Vorschläge für konkrete Trainings.

Präsentation

Bericht und Videos der Präsentation der Projektergebnisse und der Publikation „Training Antidiskriminierung“ am 18. November 2019 im Münchner Rathaus.

Hintergrund

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz."

Solche oder ähnliche Sätze beinhalten heute – nach der schmerzlichen Erfahrung von Gewaltherrschaft wie dem Nationalsozialismus, Vertreibung und Krieg – internationale Vereinbarungen und nationale Verfassungen.

Jeder Mensch ist gleichwertig. Das gilt selbstverständlich jenseits der Unterschiede zwischen Menschen und ihren Vorlieben. Und es gilt auch trotzdem Menschen häufig in Kategorien „gesteckt" werden oder sie sich selbst für Zugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen entscheiden - ob diese nun nationaler, religiöser, sexueller, kultureller oder sonstiger Art sind.

Rassismus und andere Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit hingegen untergraben die Zielsetzung internationaler Abkommen ebenso wie die Fundamente der liberalen Demokratie, sie stehen den Menschenrechten entgegen und gefährden den gesellschaftlichen Frieden. Sie richten sich gegen eine faire, friedliche und integrative Gesellschaft, aber auch gegen die Freiheit des Einzelnen, eigene Lebensentwürfe zu verwirklichen. Zudem sind sie Ausdruck einer unzureichenden demokratischen Auseinandersetzung und einer mangelhaften Kultur demokratischer Partizipation. Sie respektieren den Menschen in seiner Einzigartigkeit nicht.

Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen sind nicht unerheblich: Alltagsrassismus, neu entbrannte rassistische Diskurse, wachsende globale Geflüchtetenzahlen, das Aufkommen rechtsradikaler Bewegungen, ein global sichtbarer Terrorismus, verbreitete Vorurteile, die erhöhte Anzahl rassistischer Gewalttaten und Defizite in deren Bearbeitungsqualität.
Von Rassismus betroffen können deutsche Bürger*innen, in Deutschland lebende Ausländer*innen und Neu- oder vorübergehend Zugezogene sein. Rassismus ist eine verächtliche und entmenschlichende Lesart von Menschen. Ihnen können Vorurteile oder Feindseligkeiten aufgrund ihrer vermeintlich nicht-deutschen Herkunft entgegenschlagen. Abwertende Einstellungen bilden den aggressiven Ausgangspunkt menschenfeindlicher Agitation und auch handfester Gewalt. Angesichts des erheblichen Ausmaßes rassistischer und sonstiger menschenverachtender Straf- und Gewalttaten stellen sie in Deutschland aktuell ein Sicherheitsproblem dar.

Fokus

Warum ist Rassismus und Diskriminierung im Fokus?

Obwohl es internationale und nationale Regelwerke (u.a. ICERD, AGG), Forschungen und auch Bildungsbemühungen zum Thema gibt, bleibt „Rassismus als eigenständiges Thema in Deutschland bisher unterthematisiert, so z.B. bei der politischen Strategieentwicklung, bei der Strafverfolgung und in Fortbildungsmaßnahmen". Das führt zu Bearbeitungsschwächen (vgl. Schellenberg 2014). Die Anti-Diskriminierungsperspektive ist relativ neu im deutschen Rechtsverständnis (vgl. Schellenberg / CAP Paper Recht & Umsetzung 2008; Cremer / Deutsches Institut für Menschenrechte 2017). Sie bietet die Chance gesellschaftliche Stabilität, Sicherheit und Frieden zu ermöglichen.

Gleichwohl ist die Gefährdungslage groß (Grundlagen 2.1. Problemanalyse), so das Ausmaß rassistisch motivierter Delikte, einschließlich Gewalt, sowie digitaler und verbaler Angriffe. Doch auch das Problembewusstsein und der Wunsch, kompetent und professionell mit rassistischer Diskriminierung umzugehen, wächst, wie etwa die Befragung von Organisationen (kommunale Verwaltungen, Wohlfahrtsverbände, Religionsgemeinschaften) von „Den Menschen im Blick“ (2017) zeigt.
Das Projekt möchte dazu beitragen, diese Bedarfe aufzunehmen und bestehende Lücken zu füllen.

Den Menschen in den Blick nehmen: Diskriminierungsschutz als Chance und Mittel

Der Diskriminierungsbegriff ist für die Praxis in den Institutionen konkret fassbar und handlungsbezogen. Zudem hat er eine rechtliche Dimension. Es geht – anders als etwa bei Vorurteilen, die auf der Einstellungsebene liegen – um Ungleichheitsbehandlung, also um Verhalten, das in unserer Gesellschaft illegitim ist und auf das reagiert werden muss. Diskriminierungen unterliegt ein komplexes System sozialer Verhältnisse und Beziehungen, das ungerechte Folgen für den*die Einzelne*n aufgrund von sozio-politischen Gruppenkonstruktionen und -zuschreibungen hat. Für das Verständnis und die Bearbeitung der Thematik darf der Blick auf die Entwicklung und Wirkung von Vorurteilen allerdings nicht fehlen.

In den zurückliegenden Jahren ist zunehmend deutlich geworden, dass Diskriminierung und Rassismus auch in gesellschaftlich zentralen Institutionen vorzufinden sind, nicht nur am rechten Rand (...). Deshalb besteht ein großer Bedarf an Materialen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung in unterschiedlichen Berufsbereichen.

Prof. Albert Scherr, Pädagogische Hochschule Freiburg, über das Projekt DEN MENSCHEN IM BLICK